Zusammenfassung des Urteils BV.2020.17 (SVG.2020.206): Sozialversicherungsgericht
Eine Klägerin klagte gegen die AXA Leben AG vor dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt wegen der Kündigung ihrer Lebensversicherung aufgrund einer Anzeigepflichtverletzung. Die Klägerin wurde für die Verletzung der Anzeigepflicht verantwortlich gemacht, da sie ihre Erwerbsunfähigkeit erst nach Ablauf der Meldefrist gemeldet hatte. Das Gericht entschied, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Befreiung von der Prämienzahlungspflicht hatte, da die Kündigung durch die Beklagte gerechtfertigt war. Die Klage wurde abgewiesen, das Verfahren war kostenlos, und die ausserordentlichen Kosten wurden wettgeschlagen.
Kanton: | BS |
Fallnummer: | BV.2020.17 (SVG.2020.206) |
Instanz: | Sozialversicherungsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 15.07.2020 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | (Bundesgerichtsurteil 9C_635/2020) |
Schlagwörter: | Versicherung; Erwerbsunfähigkeit; Prämien; Police; Vertrag; Anzeigepflicht; Kündigung; Versicherer; Antrag; Zeitpunkt; Anspruch; Versicherungsvertrag; Beklagten; Vorsorge; Prämienbefreiung; Parteien; Klage; Prämienzahlung; Antrags; Verletzung; Bericht; Meldung; Lebensversicherung; Leistung; Wartefrist; Befreiung; Versicherungsnehmer; Akten; Gefahr |
Rechtsnorm: | Art. 1 BV ;Art. 1 OR ;Art. 100 VVG ;Art. 12 VVG ;Art. 18 OR ;Art. 2 OR ;Art. 3 VVG ;Art. 38 VVG ;Art. 4 VVG ;Art. 42 BGG ;Art. 47 BGG ;Art. 6 VVG ;Art. 73 BV ;Art. 82 BV ;Art. 95 BGG ; |
Referenz BGE: | 109 II 342; 115 II 88; 116 II 338; 116 V 218; 118 II 333; 121 III 285; 130 V 9; 141 V 405; 141 V 439; |
Kommentar: | - |
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt
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URTEIL
vom 15. Juli 2020
Mitwirkende
Dr. G. Thomi (Vorsitz), lic. phil. D. Borer, Dr. med. F. W. Eymann
und Gerichtsschreiberin MLaw N. Marbot
Parteien
A____
[...]
vertreten durch lic. iur. B____, [...]
Klägerin
AXA Leben AG
GeneralGuisan-Strasse40, Postfach 300, 8400Winterthur
vertreten durch Dr. C____, Advokatin, [...]
Beklagte
Gegenstand
BV.2020.17
Klage vom 31. Dezember 2019
Kündigung der Lebensversicherung im Rahmen der gebundenen Vorsorge 3a wegen Verletzung der Anzeigepflicht nach Art. 4 VVG bejaht. Kein Anspruch auf Erlass der Prämienzahlung gestützt auf die Erwerbsunfähigkeitsklausel aus dem gekündigten Vertragsverhältnis im Rahmen des neu abgeschlossenen Versicherungsvertrags.
Tatsachen
I.
a) Am 21. Februar 2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten den Abschluss einer Lebensversicherung im Rahmen der gebundenen Vorsorge 3a (vgl. Antrag für ihre Vorsorge-Police und Personenfragen vom 21. Februar 2014, Klagbeilagen, KB, 3a und 3b).
b) Mit Police vom 24. Februar 2014 (Police Nr. G 3.528.047) nahm die Beklagte den Antrag an. Vereinbart wurde eine Lebensversicherung mit Beginn am 1. Februar 2014 und Ende im Erlebnisfall am 1. Februar 2025 (Klagantwortbeilage, KAB 1). Versichert wurde einerseits der Todesfall und andererseits das Erleben am 1. Februar 2025 mit einer Leistung von CHF 67'742.00. Versichert wurde zudem eine Prämienbefreiung bei Erwerbsunfähigkeit bis zum 31. Februar 2022.
c) Aufgrund der Heirat der Klägerin und der damit verbundenen Namensänderung (ehemals D____, heute E____) wurde der Klägerin die Police vom 23. Dezember 2014 (Police-Nr. G 3.528.047) zugestellt (KB 1a).
d) Im April 2014 erkrankte die Klägerin an einer Grossgefässvaskulitis, einer mittelschweren depressiven Episode und einer Belastungsdyspnoe (vgl. Bericht des F____spitals Basel vom 15. Juli 2015, KB 16a) und wurde daraufhin erwerbsunfähig. Die seit April 2014 bestehende Erwerbsunfähigkeit meldete sie der Beklagten mit Arbeits-/Erwerbsunfähigkeits-Meldung vom 22. April 2015 (KAB 2).
e) Nach Abklärung der medizinischen Situation kündigte die Beklagte der Klägerin unter Geltendmachung einer Anzeigepflichtverletzung den Versicherungsvertrag (Police Nr. 3.528.047) mit Schreiben vom 5. Juni 2015 auf. Gleichzeitig stellte sie der Klägerin die Offerte vom 5. Juni 2015 (KAB 4) zum Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages mit eingeschränkter Deckung (Wegfall der Prämienbefreiung bei Erwerbsunfähigkeit) zu, welche die Klägerin mit Annahme vom 11. Juni 2015 akzeptierte (KAB 5). Daraufhin stellte die Beklagte der Klägerin die neue Police mit eingeschränkter Versicherungsdeckung vom 7. August 2015 (KB 8) zu, welche ebenfalls unter der Police Nr. 3.528.047 geführt wurde.
f) In der Folge konnte keine aktenkundige Korrespondenz zwischen den Parteien mehr verzeichnet werden.
II.
a) Mit Klage vom 31. Dezember 2019 beantragt die Klägerin:
1. "Die Beklagte ist zu verurteilen, die Prämienbefreiung wegen Erwerbsunfähigkeit aus der Lebensversicherungs-Police 3a (Nr. 3.528.304) zugunsten der Klägerin zu leisten und die bei Vertragsablauf versprochene Versicherungsleistung zu erbringen.
2. Die Beklagte ist zu verurteilen, der Klägerin CHF 47'847.47 (für die Prämienbefreiung, RNo) zu bezahlen, zuzüglich Zins ab entsprechender Prämienzahlung durch die Klägerin an ihre neue Lebensversicherungspolice bei der Beklagten und die bei Vertragsablauf versprochene Versicherungsleistung zu erbringen.
3. Eventualiter 1: die Beklagte ist zu verpflichten, der Police seit 14.05.2015, dem Ablauf Wartefrist, und bis zum 1. Februar 2022 die vereinbarte Prämienzahlung samt Mehreinlagen im Mass der Erwerbsunfähigkeit zu gewähren und bei Ablauf der Police die vereinbarte Versicherungssumme samt Bonus auszubezahlen.
4. Eventualiter 2: Die Ansprüche aus Prämienbefreiung der alten Police sind mit den Prämien für die neue Lebensversicherung zu verrechnen und der Restbetrag von CHF 42'847.47, sowie die Versicherungsleistung bei Ablauf der Klägerin auszubezahlen.
5. unter o-/e-Kostenfolge"
b) Mit Klagantwort vom 12. März 2020 schliesst die Beklagte auf Abweisung der Klage.
c) Mit Replik vom 15. Mai 2020 hält die Klägerin an ihren Begehren fest und verlangt die Durchführung einer mündlichen Parteiverhandlung.
III. Mit Verfügung vom 19. Mai 2020 stellt der Instruktionsrichter die Replik der Klägerin der Beklagten zur Kenntnisnahme zu, schliesst den Schriftenwechsel und verfügt das Ansetzen einer Hauptverhandlung.
IV. Die Hauptverhandlung findet am 15. Juli 2020 in Anwesenheit der Klägerin sowie der Parteivertreter statt. Die Klägerin wird befragt. Die Parteivertreter gelangen zum Vortrag. Für alle Ausführungen wird auf die nachstehenden Entscheidgründe und das Verhandlungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe
1.
1.1. Bei der beruflichen Vorsorge handelt es sich um eine anerkannte und steuerlich begünstigte berufliche Vorsorgeform im Sinne von Art. 82 Abs. 2 Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen-, und Invalidenvorsorge (BVG, SR 831.40) und Art. 1 Verordnung über die steuerliche Abzugsberechtigung für Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen (BVV3, SR 831.431.3). Sich daraus ergebende Streitigkeiten unterliegen der Gerichtsbarkeit der in Art. 73 BVG erwähnten richterlichen Behörden. Das Sozialversicherungsgericht ist damit zur Behandlung der vorliegenden Klage sachlich zuständig (vgl. auch BGE 141 V 439 E. 1.1). Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus Art. 73 Abs. 3 BVG.
1.2. Da auch die übrigen formellen Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Klage einzutreten.
1.3. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine gebundene Vorsorgeversicherung im Sinne von Art. 82 Abs. 2 BVG und Art. 1 Abs. 2 BVV3. Da sich die gebundene Vorsorge aus der zweiten Säule ableitet (BGE 121 III 285 E. 1d), hat die Praxis verschiedentlich subsidiär, soweit die BVV3 keine einschlägigen Bestimmungen enthielt, die Regelungen der zweiten Säule beigezogen (BGE 141 V 405 E. 3.2). Darüber hinaus findet auf die im Rahmen der gebundenen Vorsorge abgeschlossenen Lebensversicherungen ergänzend das Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG, SR 221.229.1) Anwendung.
Für die Frage des Konsenses für das Zustandekommen ebenso wie für den Inhalt des Vertrages sind in erster Linie die tatsächlich übereinstimmenden Willensäusserungen der Parteien massgebend (vgl. Art. 18 Abs. 1 OR). Wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (vgl. Urteile des Bundesgerichts 4A_648/2014 vom 20. April 2015 E. 3.3 und 4A_604/2011 vom 22. Mai 2012 E. 3.1 und 3.2).
Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VVG muss der Versicherer den Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages verständlich über die Identität des Versicherers und den wesentlichen Inhalt des Versicherungsvertrages wie etwa den Umfang des Versicherungsschutzes informieren. Diese Angaben sind dem Versicherungsnehmer so zu übergeben, dass er sie kennen kann, wenn er den Versicherungsvertrag beantragt annimmt. In jedem Fall muss er zu diesem Zeitpunkt im Besitz der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der Information nach Absatz 1 lit. g sein (Art. 3 Abs. 2 VVG).
Nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1 VVG ist der Versicherer gehalten, dem Versicherungsnehmer eine Police auszuhändigen, welche die Rechte und Pflichten der Parteien feststellt. Stimmt der Inhalt der Police der Nachträge zu derselben mit den getroffenen Vereinbarungen nicht überein, so hat der Versicherungsnehmer binnen vier Wochen nach Empfang der Urkunde deren Berichtigung zu verlangen, widrigenfalls ihr Inhalt von ihm genehmigt gilt (Art. 12 Abs. 1 VVG).
Ferner hat die Beklagte die Klägerin nach Massgabe von Art. 3 Abs. 2 VVG darüber informiert, welche allgemeinen Vertragsbestimmungen (C3/9 und EU/6) und welche ergänzenden Bestimmungen (IB/2) auf den vorliegend interessierenden Versicherungsvertrag Anwendung finden.
Aus den Akten ist ersichtlich, dass die Klägerin den Erhalt der allgemeinen Versicherungsbedingungen mit Unterschrift vom 21. Februar 2014 bestätigte (vgl. S. 8 des Antrags vom 21. Februar 2014 unter der Rubrik Unterschriften und der Unterrubrik Allgemeine Versicherungsbedingungen, Besondere Abmachungen). Die Klägerin bestreitet den unterschriftlich bestätigten Erhalt der allgemeinen Vertragsbedingungen weder im Rahmen ihrer Rechtschriften, noch anlässlich der mündlichen Parteiverhandlung. Aus den Akten ergeben sich zudem keine Anhaltspunkte, die am Erhalt der allgemeinen Vertragsbedingungen zum Zeitpunkt der Antragsstellung zweifeln lassen.
Die Beklagte hat sodann mit Versicherungspolice vom 24. Februar 2014 den Antrag der Klägerin angenommen und im Rahmen der Police erneut auf die Anwendbarkeit der allgemeinen Vertragsbedingungen C3/9, EU/6 und IB/2 hingewiesen. Eine Berichtigung der Police wurde seitens der Klägerin nicht verlangt. Es ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Versicherungsantrags vom Inhalt der allgemeinen Vertragsbestimmungen Kenntnis hatte und diese aufgrund der übereinstimmenden Willenserklärungen zum Vertragsinhalt wurden. Anzuführen ist zudem, dass bereits in der Anmeldung vom 21. Februar 2014 aus Seite 6 unter der Rubrik Deckumgsumfang darauf hingewiesen wurde, dass bei Eintritt der Erwerbsunfähigkeit und der Erbringung der Leistungen bestimmte Mitwirkungspflichten bestehen, wobei genauere Erläuterungen den allgemeinen Versicherungsbestimmungen entnommen werde könnten. Die Klägerin vermag daher aus dem Umstand, dass die viermonatige Meldefrist erst mit Police vom 23. Dezember 2014 explizit aufgenommen wurde nichts zu ihren Gunsten abzuleiten, da die Meldefrist über die allgemeinen Vertragsbestimmungen bereits in die Versicherungspolice vom 24. Februar 2014 Eingang fand.
Der Einwand der Klägerin, Art. 38 Abs. 1 VVG stünde einer vertraglich vereinbarten Meldefrist entgegen ist mit Blick auf BGE 115 II 88, 89 E. 3 f., wonach vertraglich auch klare Meldefristen vereinbart werden können, nicht zu hören.
4.5. Inhaltlich ergibt sich aus Ziffer 7.1 der allgemeinen Vertragsbedingungen EU/6 eine viermonatige Frist zur Meldung der Erwerbsunfähigkeit, welche ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit zu laufen beginnt. Weiter sieht die Bestimmung vor, dass der Zeitraum der Verspätung der Mitteilung an die Wartefrist angerechnet wird. Vorliegend ist zwischen den Parteien unbestritten, dass der Beginn der Erwerbsunfähigkeit im April 2014 festzumachen ist. Dem ist mit Blick auf die Aktenlage zuzustimmen. Indem die Klägerin die Erwerbsunfähigkeit unbestrittenermassen erst zwölf Monate nach Eintritt derselben der Beklagten gemeldet hat (vgl. Formular Arbeits-/Erwerbsunfähigkeitsmeldung vom 22. April 2015, KAB 2), hat sie die viermonatige Meldefrist um acht Monate verpasst. Dieses Säumnis führt dazu, dass diese acht Monate Verspätung nach Massgabe von Ziff. 7.1. EU/6 an die allgemeine Wartefrist von zwölf Monaten anzurechnen sind (April 2014 plus zwölf Monate allgemeine Wartefrist ergibt April 2015 plus acht Monate verspätete Meldung ergibt Januar 2016). Damit ist unter Vorbehalt der nachstehenden Ausführungen sub E. 6.5. festzuhalten, dass mit Blick auf Ziff. 7.1. EU/6 eine Befreiung von der Prämienzahlungspflicht erstmals frühestens zwanzig Monate nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit und somit ab Januar 2016 in Betracht fallen könnte.Die Anzeigepflicht des Antragstellers weist indessen keinen umfassenden Charakter auf. Sie beschränkt sich vielmehr auf die Angabe jener Gefahrstatsachen, nach denen der Versicherer ausdrücklich und in unzweideutiger Art gefragt hat; der Antragsteller ist daher ohne entsprechende Fragen nicht verpflichtet, von sich aus über bestehende Gefahren Auskunft zu geben.
5.3. Wann die Anzeigepflicht verletzt ist, beurteilt sich verschuldensunabhängig nach subjektiven wie auch nach objektiven Kriterien. Denn nach dem Wortlaut von Art. 4 und 6 VVG hat der Antragsteller dem Versicherer in Beantwortung entsprechender Fragen nicht nur die ihm tatsächlich bekannten (von seinem positiven Wissen erfassten) erheblichen Gefahrstatsachen mitzuteilen, sondern auch diejenigen, die ihm bekannt sein müssen. Damit stellt das Gesetz ein objektives (vom tatsächlichen Wissen des Antragstellers über den konkreten Sachverhalt unabhängiges) Kriterium auf, bei dessen Anwendung jedoch die Umstände des einzelnen Falles, insbesondere die persönlichen Eigenschaften (Intelligenz, Bildungsgrad, Erfahrung) und die persönlichen Verhältnisse des Antragstellers, zu berücksichtigen sind. Entscheidend ist somit, ob und inwieweit ein Antragsteller nach seiner Kenntnis der Verhältnisse und gegebenenfalls nach den ihm von fachkundiger Seite erteilten Aufschlüssen eine Frage des Versicherers in guten Treuen verneinen durfte. Er genügt seiner Anzeigepflicht nur, wenn er ausser den ihm ohne weiteres bekannten Tatsachen auch diejenigen angibt, deren Vorhandensein ihm nicht entgehen kann, wenn er über die Fragen des Versicherers ernsthaft nachdenkt (BGE 118 II 333 E. 2b; BGE 116 II 338 E. 1c; BGE 116 V 218 E. 5b). 5.4. Zwischen den Parteien herrscht Einigkeit darüber, dass die Klägerin mit Antrag vom 21. Februar 2015 (KB 3a und 3b) ihre Anzeigepflicht verletzt hat (vgl. Vollmacht der Klägerin an H____ vom 10. Juni 2015, KAB 18, E-Mail von H____ vom 9. Juni 2015, KAB 19, Klage vom 31. Dezember 2019, S. 4 lit. a).Mit Blick auf die Aktenlage ist dies nicht zu beanstanden. Aus dem Antrag vom 21. Februar 2015 geht klar hervor, dass die Klägerin die Frage fünf nach dem Bestand eines psychischen Leidens einer psychischen Störung verneinte und auch die Frage sechs nach einer länger als vier Wochen andauernden psychologischen Behandlung negierte. Dies, obschon sich die Klägerin über den Zeitraum von Januar 2004 bis und mit Januar 2013 in psychiatrischer Behandlung bei Dr. med. I____, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, befand (vgl. Auszug aus der Krankengeschichte vom 15. Mai 2015, KAB 7). Es ist daher vorliegend von einer Verletzung der Anzeigepflicht im Sinne von Art. 4 VGG auszugehen.
Mit Eingang des Berichts von Dr. med. I____ vom 15. Mai 2015 erhielt die Beklagte sichere Kenntnis von der Behandlung der psychischen Beschwerden der Klägerin und damit einhergehend von der (unbestrittenen) Verletzung der Anzeigepflicht. Vor diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte keine Anhaltspunkte, um von einer allfälligen Behandlung psychischer Beschwerden auszugehen. Da sich das Datum des Eingangs des Berichts von Dr. med. I____ bei der Beklagten nicht aus den Akten ergibt, ist zu Gunsten der Klägerin davon auszugehen, der Bericht sei am 16. Mai 2015 bei der Beklagten eingegangen. Ab diesem Zeitpunkt fing die vierwöchige Frist zur Kündigung des Versicherungsvertrags zu laufen.
Mit Kündigung vom 5. Juni 2015 hat die Beklagte in der Folge die Police (Nr. 3.528.047) lautend auf E____ gekündigt. Der Zeitpunkt, an dem die Kündigungserklärung ihre vertragsauflösende Wirkung entfaltet, bestimmt sich weder nach dem Zeitpunkt ihrer Absendung noch nach dem Zeitpunkt, an dem der Versicherungsnehmer von der Erklärung und deren Inhalt Kenntnis nimmt. Massgeblich ist allein der erfolgte Zugang, sei es beim Versicherungsnehmer persönlich bei einem zur Entgegenahme der Erklärung befugten Vertreter (Gauch, Das Kündigungsrecht des Versicherers bei verletzter Anzeigepflicht des Antragsstellers, ZBJV 2006, S. 361 ff., S. 362.).
Vorliegend ergibt sich aus den Akten nicht, wann genau der Zugang der Kündigung vom 5. Juni 2015 bei der Klägerin erfolgte. Da die Klägerin aber, die gemeinsam mit der Kündigung versandte Offerte zum Versicherungsvertrag am 11. Juni 2015 unterzeichnete (KAB 4), musste der Zugang zwingend zwischen dem 6. Juni 2015 und dem 11. Juni 2015 erfolgen. Die vierwöchige Frist zur Kündigung nach Massgabe von Art. 6 Abs. 2 VVG wurde daher vorliegend gewahrt. Die Kündigung vom 5. Juni 2015 aufgrund der Verletzung der Anzeigepflicht erfolgte somit korrekt.
6.4. Die Klägerin hat die Kündigung der Beklagten vom 5. Juni 2015 ausdrücklich akzeptiert (vgl. Klage vom 31. Dezember 2019, S. 4, lit. b). Daraus folgt, dass die Prämienzahlungspflicht der Klägerin aus dem gekündigten Versicherungsvertrag im Juni 2015 endigte. Für die Zeit danach, d.h. ab Juli 2015 sind aus dem fraglichen Vertragsverhältnis somit keine Prämien mehr geschuldet, von welcher die Klägerin befreit werden könnte. 6.5. Nachfolgend bleibt noch zu prüfen, ob die Klägerin für die Monate April 2015 bis und mit Juni 2015 Anspruch auf Prämienbefreiung aufgrund von Erwerbsunfähigkeit hat. Wie bereits dargelegt (vgl. Ziff. 4.5 a. E. hiervor), konnte der Anspruch auf Befreiung von der Prämienzahlungspflicht aufgrund der um acht Monate verspäteten Meldung der Klägerin erst im Januar 2016 entstanden sein. Zum Zeitpunkt der Kündigung hat demnach der Anspruch auf Befreiung von der Prämienzahlungspflicht noch gar nicht bestanden. Es ist daher festzuhalten, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Befreiung von der Prämienzahlungspflicht hat.Die Frage nach der Kausalität zwischen der Anzeigepflichtverletzung und dem Schadensfall gemäss Art. 6 Abs. 3 VVG kann somit offengelassen werden. Die in diesem Zusammenhang gestellten Beweisanträge sind abzuweisen.
Im Zeitpunkt der Kündigung im Juni 2015 waren überdies auch die versicherten Ereignisse «Erleben am 1. Februar 2025» «Tod» nicht eingetreten. Ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages waren somit seitens der Beklagten keine Leistungen aus dem Versicherungsvertrag vom 24. Februar 2014, respektive 23. Dezember 2014 geschuldet. Die Klage ist somit auch hinsichtlich dieser Begehren abzuweisen.
Demgemäss erkennt das Sozialversicherungsgericht:
://: Die Klage wird abgewiesen.
Das Verfahren ist kostenlos.
Die ausserordentlichen Kosten werden wettgeschlagen.
Sozialversicherungsgericht BASEL-STADT
Der Präsident Die Gerichtsschreiberin
Dr. G. Thomi MLaw Noëmi Marbot
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz, BGG]). Die Beschwerdefrist kann nicht erstreckt werden (Art. 47 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegründe sind in Art. 95 ff. BGG geregelt.
Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, in dreifacher Ausfertigung zuzustellen. Die Beschwerdeschrift hat den Anforderungen gemäss Art. 42 BGG zu genügen; zu beachten ist dabei insbesondere:
a) Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten;
b) in der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt;
c) die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat, ebenso der angefochtene Entscheid.
Geht an:
- Klägerin
- Beklagte
- Aufsichtsbehörde BVG
Versandt am:
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